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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.07.2009
Aktenzeichen: 11 W 117/08
Rechtsgebiete: ZPO, BNotO, BGB, SGB V, SGB XI


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 411a
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
BNotO § 19 Abs. 1 Satz 1
BNotO § 19 Abs. 1 Satz 3
BGB § 105 Abs. 1
BGB § 839 Abs. 1 Satz 2
SGB V § 275 Abs. 5 Satz 1
SGB XI § 18 Abs. 2 Satz 1
SGB XI § 18 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragsstellers vom 03.09.2008 gegen den Beschluss der Zivilkammer II des Landgerichts Detmold vom 19.08.2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der ursprünglich als Rechtsanwalt tätige Antragsteller begehrt vom Antragsgegner Schadensersatz wegen behaupteter notarieller Amtspflichtverletzung.

Der Antragsteller ist der Sohn der am 12.11.1911 geborenen und am 23.07.2007 verstorbenen Frau T (im folgenden: Erblasserin). Die Erblasserin wurde von dem Antragsteller, seiner Schwester Frau H und den beiden Söhnen einer weiteren Schwester beerbt.

Der Antragsgegner beurkundete unter dem 27.03.2003 den Erb- und Pflichtteilsverzicht des Antragstellers. Unter dem 21.06.2005 beurkundete der Antragsgegner, UR-Nr. 131/2005, eine General- und Altersvorsorgevollmacht, mit der die Erblasserin Frau H erteilte. Unter dem 04.10.2005 beurkundete der Antragsgegner; UR-Nr. 215/2005, einen Erbbaurechtsübertragungsvertrag mit Einigung und einen Grundstücksübertragungsvertrag mit Auflassung, mit der die Erblasserin das Grundstück und das Erbbaurecht "X" in Y auf Frau H übertrug. Unter dem 22.12.2005 beantragte der Antragsteller unter Berufung auf eine ihm seitens der Erblasserin unter dem 30.05.2004 erteilten Vorsorgevollmacht den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Antragsgegner, mit dem Inhalt der Feststellung der Nichtigkeit der unter dem 21.06.2005 erteilten Generalvollmacht vor dem Amtsgericht Blomberg, Az. 4 C 461/05. Mit Versäumnisurteil vom 04.05.2006 wies das Amtsgericht den Antrag zurück, nachdem es die Gewährung der für den Feststellungsantrag begehrten Prozesskostenhilfe verweigerte und eine hierauf erhobene Beschwerde und Gegenvorstellung vor dem Landgericht Detmold erfolglos blieben. Nach Einspruchseinlegung nahm der Antragsteller seinen Antrag unter dem 22.08.2006 zurück.

Auf Drittanregung vom 28.11.2006 prüfte das Vormundschaftsgericht Blomberg, Az. 3 XVII St 2125, die Einrichtung einer Betreuung für die Erblasserin und holte unter dem 10.03.2007 das Gutachten des Sachverständigen K zur Betreuungsbedürftigkeit und zum Betreuungsbedarf ein. Dieser stellte auf der Grundlage vorliegender Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen fest, dass die Erblasserin im Zeitpunkt der Erteilung der Generalvollmacht zweifelsfrei geschäftsfähig gewesen sei (Seite 22 f. des Gutachtens). Der seitens des Vormundschaftsgerichts eingeholte Sozialbericht der zuständigen Betreuungsbehörde stellte fest, dass die Erblasserin ausdrücklich wünsche, dass Frau H für sie als Betreuerin bestellt werden solle.

Unter dem 22.10.2008 erhob der Antragsteller vor dem Landgericht Detmold, Az. 3 T 258/08, Beschwerde und beantragte, den Antragsgegner anzuweisen, ihm zu Händen der Erbengemeinschaft Kopien der seitens der Erblasserin unterschriebenen notariellen Vollmachten zu erteilen sowie Einsicht in die Nebenakten zu gewähren. Mit Beschluss vom 08.01.2009 wies das Landgericht den Antragsgegner zur Erteilung entsprechender Kopien an, während es den Antrag auf Einsicht in die Nebenakten zurückwies. Eine dagegen eingelegte Beschwerde ist noch nicht beschieden.

Der Antragsteller behauptet, dass die Miterbin H das Vermögen der Erblasserin beiseite geschafft habe. Insbesondere habe sie eine zu seinen Gunsten abgeschlossene Versicherung bei der G an die I in I1 abgetreten. Hieraus seien ihm erhebliche Schäden entstanden, für die der Antragsgegner verantwortlich sei. Der Antragsgegner verfüge über Geschäftsbeziehungen in der Schweiz und habe sich in moralisch anstößiger Weise der Erblasserin aufgedrängt und deren Willensschwäche ausgenutzt.

Das Landgericht hat mit angefochtenem Beschluss vom 19.08.2008 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung deswegen keine Aussicht auf Erfolg biete, weil ein Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Rente nicht schlüssig dargelegt worden sei. Frau H solle den entsprechend zu seinen Gunsten abgeschlossenen Versicherungsvertrag abgetreten haben; hierfür sei jedoch eine Verantwortlichkeit des Antragsgegner nicht dargetan. Auch ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte im Zusammenhang mit der Beurkundung der Generalvollmacht und der Grundstücksübertragung Pflichten verletzt hätte. Ein Anspruch auf Bekanntgabe der Versicherungsdaten sei ebenfalls nicht dargetan.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde vom 03.09.2008. Ergänzend meint er, dass der Antragsgegner seinen Vortrag nicht bestritten habe. Die Generalvollmacht sei wegen Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin, Parteiverrats und der Vertretung widerstreitender Interessen nichtig. Insofern sei der Beklagte hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin beweisbelastet. Ergänzend behauptet der Antragsteller, dass die Generalvollmacht aufgehoben und eine neue Vollmacht zu einem Zeitpunkt errichtet worden sei, zu dem die Erblasserin geschäftunfähig gewesen sei. Zudem meint er, dass der Antragsgegner zur Hinzuziehung eines Psychiaters anlässlich der Beurkundung verpflichtet gewesen sei.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 09.09.2008 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die gem. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die beabsichtigte Klage bietet keine Aussicht auf Erfolg.

1.

Ein Anspruch des Antragsstellers gegen den Antragsgegner nach der einzig in Betracht kommenden Anspruchsnorm des § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO ist nicht schlüssig dargetan.

a)

Soweit die Abtretung des Lebensversicherungsvertrages betroffen ist, hat der Antragsteller nicht ansatzweise dargelegt, in welchem Zusammenhang das Handeln des Antragsgegners hierzu stehen soll. Insofern mag eine - unterstellt pflichtwidrige - Abtretung zu Ausgleichsansprüchen gegen Frau H und damit zum Bestehen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO, § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB führen. Eine Verantwortlichkeit des Antragsgegners ist indes nicht erkennbar.

Denkbar ist allenfalls, dass der Antragsgegner - wie der Antragsteller meint - die Generalvollmacht trotz offensichtlicher Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin beurkundet und erst damit der Frau H die Möglichkeit eröffnet hätte, auf Vermögenswerte der Erblasserin zuzugreifen. Indes ist nichts hiervon dargetan. Dazu, dass die notariell beurkundete Generalvollmacht Frau H in die Lage versetzt hätte, die Versicherung abzutreten, fehlt jeglicher Vortrag und ist vor dem Hintergrund, dass Frau H auch aufgrund einer lediglich privatschriftlich erteilten Vollmacht hierzu ebenso in der Lage gewesen wäre, ohnehin unplausibel.

Dass der Antragsgegner deswegen amtspflichtwidrig gehandelt hätte, weil er trotz erkennbarer Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin die Beurkundung der Generalvollmacht vorgenommen hätte, ist vor dem Hintergrund der gutachterlichen Feststellungen im Betreuungsverfahren nicht hinreichend dargetan. Der Sachverständige konnte auf der Grundlage vorliegender Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung eindeutig bejahen.

Daher hätte es substanziierten Vortrags des Antragstellers dazu bedurft, weswegen nicht nur die Feststellungen im Gutachten des Sachverständigen, sondern auch die Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen unzutreffend gewesen seien. Im Übrigen wäre das Gutachten des Sachverständigen nach § 411a ZPO im Hauptsacheverfahren verwertbar. Das Gutachten ist bei der Erfolgsprognose vorweg zu würdigen; das Verbot der Beweisantizipation gilt im Verfahren zur Prüfung eines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht uneingeschränkt (vgl. BGH, NJW 1988, 266; OLG Hamm, NJW-RR 2000, 1669). Damit aber wäre die Erfolgsaussicht auch wegen des im Betreuungsverfahren eingeholten Gutachtens zu verneinen.

Dass der Sachverständige auf die Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen zurückgegriffen hat, begegnet keinen Bedenken, da die Gutachten durch qualifizierte, geschulte und gegenüber dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen nach § 275 Abs. 5 Satz 1 SGB V weisungsunabhängige Gutachter mit der Untersuchung betraut (§ 17 SGB XI iVm 5.5 Satz 1 der Richtlinien der Pflegekassen -RL-) und Interessenkollisionen durch Beauftragung qualifizierter Dritter vorgebeugt werden (5.5 Satz 4 RL), nach § 18 Abs. 2 Satz 1 SBG XI eine vorherige Untersuchung des Versicherten möglichst in seiner Wohnung stattfindet und eine umfassende Sachverhaltsermittlung unter Einschaltung anderer Fachdisziplinen nach § 18 Abs. 4 SBG XI vorgegeben ist.

Ist damit aber eine Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin nicht dargetan, kann dahinstehen, ob diese möglicherweise erkennbar gewesen wäre. Im Übrigen verkennt der Antragsteller, dass nicht der Beklagte, sondern er, der Antragsteller, für das Vorliegen der Geschäftsunfähigkeit darlegungs- und beweisbelastet ist.

Sein Vortrag, dass die Generalvollmacht zu einem Zeitpunkt aufgehoben worden sei, als die Erblasserin bereits geschäftsunfähig gewesen sei, ist in mehrfacher Hinsicht unbeachtlich. Zum einen hätte dies keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der erteilten Generalvollmacht, da deren wirksamer Widerruf Geschäftsfähigkeit voraussetzt. Zudem ist nicht im Ansatz erkennbar, dass aus einem späteren unwirksamen Widerruf dieser Vollmacht und der unwirksamen Erteilung einer neuen Vollmacht dem Antragsteller ein Schaden hätte entstehen können, selbst wenn zu seinen Gunsten unterstellt würde, dass der Antragsgegner sowohl den späteren Widerruf als auch die Neuerteilung der Vollmacht wegen offensichtlicher Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin beurkundet hat und nicht hätte beurkunden dürfen.

b)

Aus den vorgenannten Gründen ist nicht erkennbar, weswegen die Beurkundung der Generalvollmacht pflichtwidrig gewesen sein soll.

c)

Soweit der unter dem 04.10.2005 beurkundete Erbbaurechtsübertragungs- und Grundstücksübertragungsvertrag betroffen ist, ist ebenfalls nicht erkennbar, worin das amtspflichtwidrige Verhalten des Antragsgegners zu sehen sein soll. Selbst zu Gunsten des Antragstellers unterstellt, dass die Erblasserin tatsächlich geschäftsunfähig gewesen wäre, wäre der Vertrag nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig, mit der Folge, dass das Grundstück und Erbbaurecht noch zum Nachlass gehörten. Will er mögliche Ansprüche aus der Nichtigkeit herleiten, muss er sich an die Vertragspartei wenden. Bereits das Bestehen dieser anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO, § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, schließt einen Anspruch gegen den Antragsgegner aus.

2.

Ein Anspruch auf Benennung der Versicherungsdaten ist evident nicht gegeben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 ZPO.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, da die diesbezüglichen Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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